Hilfe! Mein Hund droht!
Drohverhalten – Was ist das eigentlich?
Drohverhalten wird zusammen mit gehemmten Angriffsverhalten, ungehemmten Angriffsverhalten und Flucht zum agonistischen Verhalten gezählt. Unter agonistischen Verhalten versteht man alle Verhaltensweisen, welche als Reaktion auf eine Bedrohung oder einen Konflikt dem Gegenüber gezeigt werden. Es ist auch ganz wichtig zu verstehen, dass agonistisches Verhalten zum Normalverhalten des Hundes zählt. Drohverhalten kann defensiv oder offensiv gezeigt werden. Defensives Drohen wird in der Regel dann gezeigt, wenn der Hund keine Möglichkeit zur Flucht oder Rückzug hat und sich nicht aus der bedrohlichen Situation befreien kann. Offensives Drohen wird gezeigt, wenn der Hund sich von einer Situation gestört fühlt und sich seiner Stärke sicher bzw. bewusst ist.
Zweck von Drohverhalten
Generell ist davon auszugehen, dass agonistisches Verhalten der Distanzvergrößerung dient. Es kann jedoch trotzdem zu einer Distanzverringerung führen, sollte ein Individuum die Absicht haben, dem Gegenüber physisch zu schaden. Drohverhalten hat als Ziel, das Gegenüber einzuschüchtern und es damit in die Flucht zu schlagen. Durch dieses Verhalten sollen Verletzungen vermieden werden.
Wie ist nun Drohverhalten einzuordnen?
Die Eskalationsstufen von Hunden zeigen sehr schön, wie Hunde ihre Konflikte zum Ausdruck bringen. Oft beginnen sie ganz subtil mitzuteilen, dass eine Situation für sie unheimlich oder nicht in Ordnung ist. Es beginnt oft mit einem Blinzeln, einem über die Nase lecken, den Blick abzuwenden. Da wir Menschen nicht so geübt sind, Körpersprache zu erkennen und richtig zu interpretieren, werden diese ersten niederschwelligen Anzeichen oft übersehen. Der Hund kommuniziert also schon längst mit uns, bevor wir dies auch so erkennen. Wenn wir nun einen Ausflug in die Lerntheorie machen, lässt sich ein wichtiger Faktor schnell erkennen. Verhalten, welches nicht zum Ziel führt, wird weniger oft gezeigt. Was bleibt also dem Hund über, als andere Strategien zu verwenden, um ans Ziel zu kommen? Spätestens beim Knurren und Bellen erkennen wir, dass etwas nicht stimmt. Oft haben Menschen dann Angst und entfernen sich vom Hund. "Bingo!" denkt sich der Hund, diese Strategie hat also funktioniert. Das Ziel ist erfüllt, die Distanz wurde vergrößert. Betrachten wir das ganze wieder aus lerntheoretischer Sicht, bemerken wir sehr schnell, dass lohnendes Verhalten öfters gezeigt wird.

Eskalationsstufen Hund
Leider gibt es noch immer Menschen mit der Ansicht: "Mein Hund hat mich nicht zu bedrohen" und missachten auch hier die Kommunikation des Hundes. Hier wird es dann wirklich gefährlich. Betrachten wir nochmals die Eskalationsstufen des Hundes. Welch ein Repertoire an Verhalten steht dem Hund denn jetzt noch zu Verfügung? Im besten Fall Flucht und Rückzug! Kann der Hund dies aber nicht, aufgrund der Gegebenheiten (in einem Raum, an der Leine gesichert), dann bleibt ihm nur noch "Fight" als Alternative. Spätestens hier kommt er mit Sicherheit zum Erfolg!
Was können wir tun, wenn der Hund Drohverhalten zeigt?
Das beste Mittel ist die Prävention. Weiterbildung, Seminare und Vorträge zum Thema Körpersprache sind Maßnahmen, damit wir Menschen schon die niederschwellige Kommunikation unserer Hunde erkennen können, damit es überhaupt nicht bis zum Drohverhalten oder noch Schlimmeren Verhaltensweisen kommt. Sind wir aber schon an diesem Punkt angekommen, müssen wir handeln. Zuallererst muss der Auslöser des Drohverhaltens gefunden werden. Bis dahin, sollten wir die Drohung ernst nehmen und Distanz herstellen. Wir verharren also erstmals auf jenem Punkt, damit sich der Hund auch verstanden fühlt und nicht zu noch schlimmeren Mitteln greifen muss. Ich empfehle an diesem Punkt eine/einen Verhaltenstrainer*in aufzusuchen, da die Ursachenforschung und die darauf folgende Trainingsstrategie professionelle Unterstützung benötigt. Wenn die Ursache ausgeforscht ist und das passende Trainingskonzept gefunden ist, wird an zwei Säulen angesetzt.
Ganzheitliches Training ist gefragt!
Das Training sollte nicht nur auf das Verhalten abzielen, sondern auch an die zu Grunde liegende Emotion. Warum eigentlich? Wenn die zu Grunde liegende Emotion verändert wird, z.B.: Angst -> ist eigentlich ok, hat der Hund keinen Grund mehr zu drohen. Das Verhalten wird somit nicht mehr gezeigt. Es gibt natürlich auch die Komponente des erlernten Verhaltens. Diesen Faktor nehmen wir ebenfalls ernst und zeigen dem Hund durch positive Verstärkung, welches Verhalten er alternativ zeigen soll.
Grundvoraussetzung ist körperliche Gesundheit
Jedes Verhaltenstraining kann nur dann greifen, wenn der Hund körperlich gesund ist, keine Schmerzen hat und die neurophysiologischen Abläufe funktionieren. Das ist auch der Grund, warum eine/ein seriöser Hundeverhaltenstrainer*in nach einer medizinischen Abklärung fragt. Die Gesundheit des Hundes steht somit an erster Stelle und muss gegebenenfalls am Anfang des Trainings abgeklärt werden.
Fazit
Ist ein drohender Hund nun Fluch oder Segen? Als Hundeverhaltenstrainer muss ich sagen, dass ich über jeden Hund froh bin, der Drohverhalten zeigt, anstatt zu beißen. Drohverhalten ist ein Teil der Kommunikation und solange noch kommuniziert wird, kann man auch daran Arbeiten. Ich empfehle jeder/jeden Hundehalter*in sich im Bereich Ausdrucksverhalten weiterzubilden und keine Scheu zu haben, sich professionelle Hilfe von einer/einem qualifizierten Hundeverhaltenstrainer*in zu suchen. Liegen die Bedenken, Probleme und Ausgangssituation auf dem Tisch, kann man mit einem gut durchdachtem Trainingskonzept daran arbeiten. Geht’s dem Hund gut, geht’s uns allen gut!